Myopie bei Kindern – kann Atropin ein Fortschreiten verhindern?

Anfrage

Führt eine medikamentöse Therapie mit Atropintropfen im Vergleich zu Placebo bei Kindern zu einer schwächeren Myopie-Progression?

Ergebnisse

Studien

Wir fanden sechs randomisiert kontrollierte Studien (RCTs) mit kurzsichtigen Kindern, die eine Atropin-Therapie mit Placebo verglichen. Drei Studien hatten ein geringes bzw. unklares Bias-Risiko und drei Studien ein hohes Bias-Risiko. An den drei Studien, die verblindet durchgeführt wurden (Bias-Risiko gering oder unklar), nahmen insgesamt 658 kurzsichtige Kinder teil. In zwei Studien wurde Atropin in einprozentiger Dosierung angewendet, und eine Studie mit 126 TeilnehmerInnen untersuchte Atropin in 0,5-prozentiger Konzentration. Die Follow-up-Perioden dauerten ein bis drei Jahre, wobei im dritten Jahr keine Therapie mehr angewandt wurde.

Resultate

In allen Studien wurde bei kurzsichtigen Kindern eine signifikant schwächere Myopie-Progression unter Atropin als unter Placebo verzeichnet. Über Nebenwirkungen wurde kaum berichtet.

  • Nach einem Jahr zeigten drei Studien mit 658 Kindern eine um 0,8 bis 1,2 Dioptrien geringere Myopie-Progression in der Atropin-Gruppe (0,5 bis 1 Prozent Dosis) als in der Placebo-Gruppe. In der größten Studie mit 400 Kindern schritt die Myopie bei Behandlung mit Atropin (1-Prozent-Dosis) um 0,8 Dioptrien weniger fort als in der Placebo-Gruppe (MD [Mittlerer Unterschied]: 0,79; 95% KI [Konfidenzintervall]: 0,70–0,88).
  •  In einer der Studien mit 400 Kindern schritt die Myopie nach zwei Jahren unter Atropin in einprozentiger Dosierung um 0,92 Dioptrien weniger fort (95% KI: 0,77-1,10).
  • Nach zwei Jahren Therapie und einem Jahr ohne Therapie beschrieb dieselbe Studien mit 400 Kindern einen gering verbleibenden Vorteil von Atropin von 0,20 Dioptrien gegenüber Placebo (p=0,028). Die klinische Relevanz ist allerdings fraglich. Nach drei Jahren Studiendauer waren 22 Prozent der Kinder ausgefallen und es wurde keine ITT-Analyse (Intention-to-treat) durchgeführt.
Stärke der Evidenz
2 von 3 = Moderat

Bei kurzsichtigen Kindern schreitet die Myopie nach einem Jahr und nach zwei Jahren unter Atropin in der Dosis von 0,5 bzw. 1 Prozent langsamer fort als unter Placebo. Auf Grund heterogener Ergebnisse ist die Evidenzstärke moderat.

Stärke der Evidenz
1 von 3 = Niedrig

Bei kurzsichtigen Kindern ist der Fortschritt der Myopie nach zweijähriger Therapie mit Atropin in einprozentiger Dosis ein Jahr nach Therapiestopp in der Atropin-Gruppe geringer als in der Placebo-Gruppe. Auf Grund des unklaren Bias-Risikos und nur einer vorliegenden Studie, die den Effekt nach Therapiestopp untersuchte, ist die Evidenzstärke niedrig.

 

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