Beobachtung bei Patienten mit Prostatakarzinom im Frühstadium
Anfrage
Wie ist das Verhältnis von Nutzen und Schaden von aktiver Überwachung oder abwartendem Beobachten bei Patienten mit einem Prostatakarzinom im Frühstadium im Vergleich zu einer sofortigen
Behandlung des Prostatakarzinoms mit z.B. Chirurgie oder Strahlentherapie?
Ergebnisse
Studien
Wir fanden drei randomisiert kontrollierte Studien, die Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom entweder beobachtet, eine radikale Prostatektomie durchgeführt oder mit einer Strahlentherapie behandelt haben. Für die Beobachtung wurden zwei Strategien angewandt: aktive Überwachung oder abwartendes Beobachten. Mit aktiver Überwachung können bei Patienten mit einem Prostatakarzinom im Frühstadium, bei denen der Tumor nicht oder erst nach langer Zeit fortschreitet, Interventionen und die damit verbundenen Nebenwirkungen hinausgezögert oder vermieden werden. Die Patienten werden erst behandelt, wenn Befunde zeigen, dass der Tumor weiter fortschreitet. Abwartendes Beobachten wird bei älteren Männern mit Prostatakarzinom im Frühstadium angewandt, bei denen aufgrund der nur noch begrenzten Lebenserwartung oder Komorbiditäten anzunehmen ist, dass sie nicht am Prostatakarzinom, sondern an anderen Ursachen versterben werden. Diese Patienten werden bei langsam fortschreitendem Prostatakarzinom erst dann behandelt, wenn Symptome auftreten.
Aktive Überwachung im Vergleich zu radikaler Prostatektomie oder Strahlentherapie
Eine randomisiert kontrollierte Studie, die ProtecT-Studie (Prostate testing for cancer and Treatment), mit 1643 Patienten mit Prostatakarzinom im Frühstadium verglich eine aktive Überwachung mit einer
radikalen Prostatektomie oder Strahlentherapie. Die Patienten in der Studie wurden ausschließlich durch PSA-Screening identifiziert und hatten zu Beginn ein geringes Risiko für ein Fortschreiten der
Tumorerkrankung.
Innerhalb von zehn Jahren waren 1,5 Prozent der aktiv Überwachten verstorben (8 von 545), im Vergleich zu je etwa einem Prozent der Patienten nach radikaler Prostatektomie (5 von 553) oder
Strahlentherapie (4 von 545). Der Unterschied zwischen den drei Gruppen war aufgrund der geringen Fallzahlen statistisch nicht signifikant. In der Gruppe mit aktiver Überwachung
wurden im Laufe von sechs Jahren 35 Prozent (193 von 545) der Patienten operiert oder bestrahlt. Die Studie berechnete die Sterberate der gesamten Gruppe der aktiv Überwachten, ohne extra eine
Analyse jener Patienten vorzunehmen, die anfangs aktiv überwacht wurden, aber innerhalb von zehn Jahren dann doch eine Operation oder Bestrahlung erhielten. Daher sind die Ergebnisse für das Risiko,
während zehn Jahren an einem Prostatakarzinom zu versterben, für die aktiv überwachten Männer nicht aussagekräftig.
Dagegen ist sehr deutlich, dass das Risiko für eine erektile Dysfunktion nach radikaler Prostatektomie und Strahlentherapie höher ist als bei aktiver Überwachung: Nach sechs Monaten hatten 29 Prozent (97 von 331) der Patienten in der Gruppe mit aktiver Überwachung eine erektile Dysfunktion, im Vergleich zu 48 Prozent (160 von 333) nach Strahlentherapie und 66 Prozent (234 von 354) nach radikaler Prostatektomie. Zu Inkontinenz kam es nach einer radikalen Prostatektomie zehnmal häufiger als bei aktiver Überwachung: Während nur vier Prozent der aktiv Überwachten an Inkontinenz litten (15 von 346), waren es nach radikaler Prostatektomie 46 Prozent (165 pro 362). Anzumerken ist, dass im Zeitraum von sechs Monaten in der Gruppe der aktiv Überwachten 7,5 Prozent dann doch eine radikale Prostatektomie und drei Prozent eine Strahlentherapie erhielten.
Abwartendes Beobachten im Vergleich zu radikaler Prostatektomie
Die beiden anderen randomisiert kontrollierten Studien, die PIVOT-Studie (Prostate Cancer Intervention Versus Observation) und die SPCG-4-Studie (Scandinavian Prostate Cancer Group-4) mit insgesamt 1426 Patienten, verglichen abwartendes Beobachten mit einer radikalen Prostatektomie. Die Population der beiden Studien unterschied sich von der ProtecT-Studie dadurch, dass etwa 30 bis 40 Prozent der Patienten ein Low-Risk-Prostatakarzinom hatten und die verbleibenden Patienten ein intermediäres oder hohes Risiko für eine Progression des Tumors. In der PIVOT-Studie wurden 75 Prozent der Patienten durch PSA-Screening entdeckt, in der SPCG-4-Studie 20 Prozent.
In beiden Studien war das Risiko, während zehn bis 18 Jahren an einem Prostatakarzinom zu versterben, bei abwartendem Beobachten höher als bei Patienten nach radikaler Prostatektomie: In der Beobachtungsgruppe starben vier Prozent mehr Patienten an einem Prostatakarzinom als nach radikaler Prostatektomie bzw. 14 Prozent der Beobachteten (99 von 715) und zehn Prozent nach einer radikalen Prostatektomie (68 pro 711). Im Zeitraum von 18 Jahren waren in der SPCG-4-Studie zehn Prozent mehr Patienten in der Beobachtungsgruppe an einem Prostatakarzinom verstorben als nach radikaler Prostatektomie (28,5 Prozent [99 von 348] versus 18 Prozent [63 von 347]). Die Gesamtmortalität war hoch: In beiden Studien starben innerhalb von zehn bis elf Jahren 40 bis 50 Prozent der Patienten (alle Todesursachen). Es gab keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Gesamtsterberate zwischen abwartendem Beobachten und radikaler Prostatektomie. Während 18 Jahren verstarben in der SPCG-4-Studie 13 Prozent mehr Personen bei abwartendem Beobachten als nach radikaler Prostatektomie [71 Prozent (247 von 348) versus 58 Prozent (200 von 347)].
Dem Überlebensvorteil durch den operativen Eingriff steht die hohe Rate an Patienten mit erektiler Dysfunktion und Inkontinenz gegenüber. Beides tritt nach radikaler Prostatektomie deutlich häufiger auf als bei abwartendem Beobachten. Nach ein bis zwei Jahren berichteten 44 Prozent (195 von 439) der Patienten in der Beobachtungsgruppe über eine erektile Dysfunktion im Vergleich zu 81 Prozent (360 von 446) nach einer radikalen Prostatektomie. Auch zu Inkontinenz kam es nach einer radikalen Prostatektomie doppelt so häufig wie beim abwartenden Beobachten.
Ausführliche Beantwortung
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